Migranten in der Waldenserkirche

Pfarrerin Eliana Briante, Milano (Foto: Walter Bammerlin)
Pfarrerin Eliana Briante, Milano (Foto: Walter Bammerlin)
Migranten in der Waldenserkirche in Mailand – Vortrag von Pfarrerin Eliana Briante, anlässlich der Hauptversammlung des Vereins Bernische Waldenserhilfe vom 15. September 2009
Pfarrer Martin Hirzel




Eliane Briante:
„Die Anwesenheit von Migranten und Migrantenkirchen hat tiefgreifende Auswirkungen auf Gemeinschaften und Kirchen, insbesondere in Europa und Nordamerika. Das äußere Erscheinungsbild der Ortskirchen in den großen Städten dieser Regionen hat sich durch die Präsenz von Migrantengemeinschaften aus aller Welt erheblich verändert. Während die Mitgliedschaft der traditionellen Kirchen in Westeuropa und auch in Nordamerika weiter schrumpft, prägen Gottesdienst und Gemeinschaftsleben der Migrantengemeinschaften das Gesicht des Christentums in diesen Regionen immer stärker.“ Diese Aussagen des Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Pfr. Dr. Samuel Kobia, anlässlich der Sitzung des Zentralausschusses des ÖRK in Genf Ende August 2009 wurde im Vortrag von Eliana Briante, Pfarrerin in Mailand, vollumfänglich bestätigt. Besonders die zur Waldenserkirche gehörende Methodistengemeinde Mailands, wo Briante wirkt, ist seit vielen Jahren Anlaufstelle für Migrantinnen und Migranten, insbesondere aus Afrika und Asien. Während Ausländer in Italien zunehmend mit Schwierigkeiten rechnen müssen und solche ohne Aufenthaltsbewilligung seit kurzem kriminalisiert werden, werden sie in der Waldenserkirche willkommen geheissen. Seit dem Jahre 2000 läuft in der Waldenserkirche das Projekt „Essere chiesa insieme“, das die Integration von evangelischen Migrantinnen und Migranten zum Ziel hat. Für die meisten Gemeinden des „historischen Protestantismus“ in Italien ist dies ein wichtiges Thema. Eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten sei, so Briante, die Frage: „Wollen wir eine Gemeinde oder parallele Gemeinden?“ Weitere Themen, die es zu diskutieren gelte, seien die Rolle der Musik in der Liturgie, das Bibelverständnis (fundamentalistisch oder historisch-kritisch?), das Bild des Pfarrers /der Pfarrerin (Vater-/Mutterfigur oder Partner?), Ausbildung der „Leader“ (Studium oder bloss Geistbegabung?). Grundsätzlich jedoch sei der Zuwachs aus Afrika oder Asien für die italienischen, oftmals überalterten Gemeinden vor allem eine grosse Bereicherung, unterstrich Briante. Es eröffneten sich neue Perspektiven auf die eigene Gemeinderealität und eine neue Reflexion auf die eigene Art, Gottesdienst zu feiern. Damit ein Miteinander von Italienern und Migranten jedoch gelinge, müsse offen über Unterschiede diskutiert werden. Unterschiedliche Sichtweisen gäbe es neben den genannten bei folgenden weiteren Themen: Heil und Heilung (Wunderglaube oder moderne Medizin?), Evangelisation, Kinder- und Jugendarbeit, soziales Engagement, Zweisprachigkeit, der Weg der zweiten Generation in der Gemeinde und die Finanzen.

Im Hinblick auf die Integration von Migranten und Migrantinnen ist die methodistische Gemeinde Mailands, so Briante, zweifellos in einer vorteilhaften Lage. Seit rund zwanzig Jahren führt sie eine englischsprachige Seelsorge. 71 eingetragene Gemeindeglieder (von total 281) sind Nichtitaliener. In der Gemeinde gibt es achtzehn verschiedene Nationalitäten. Die grössere Zahl der Migranten besucht die englischen Gottesdienste. Regelmässig finden jedoch gemeinsame, zweisprachige Gottesdienst mit dem italienischen Gemeindeteil statt. Darin finden liturgische Elemente aus den verschiedenen Traditionen Platz. Der Vizepräsident des Kirchenvorstandes sei ein Afrikaner. Dem Zusammenhalt der ganzen Gemeinde diene auch das zweisprachige Gemeindeblatt und die Gemeindediakonie (Lebensmittelverteilung, gegenseitige Hilfeleistungen „helping hands“). In der Mailänder Gemeinde Briantes bilden somit Italienerinnen und Italiener, Migrantinnen und Migranten eine Gemeinde, die mit zwei Gottesdiensten lebt.
Dem äusserst interessanten und engagierten Vortrag von Eliana Briante folgte ein gemütlicher Austausch mit einem gemeinsamen Essen in Form einer „Teilete“.

Pfarrer Martin Hirzel

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Migranten in der Waldenserkirche in Mailand